Leben und leben lassen auf Bali – Canggu (2)

Vor Kurzem haben wir die magische Grenze von 300 Tage Reisen durchbrochen. Wir stellen fest, dass wir nach so langer Zeit abseits von Deutschland und Europa längst einen neuen Anker haben: Asien.

04.-29.01.2017 ::

Mit Anker meine ich unseren (aktuellen) Ort (hier geht es zu Canggu – Teil 1), mit dem man sein zuhause in Deutschland vergleicht und Parallelen zieht: das Lieblings-Cafe, seine feste Reinigung (hier Laundry), seine Crossfit-Box, sein Friseur, seine Massage,…

Der Wow-Effekt

In der Vergangenheit war es immer wieder ein „Wow-Effekt“ wenn man z.B. von Deutschland nach Asien geflogen ist und die Eindrücke sich überschlagen haben bzw. aufgefrischt wurden. Alles war so anders, alles war so neu. Familien mit 3 Kindern auf einem Scooter, wobei eins schläft und das andere während der Fahrt gestillt wird…
Jetzt aber merken wir, wie diese Besonderheiten schon längst zu unserem Alltag geworden sind. Mittlerweile ist es sogar soweit, dass ich mit dem Stapel frischer Wäsche zwischen den Füßen noch schnell zwei geöffnete Kokosnüsse am Straßenrand einsammle, um eine in der Hand und die andere auf dem Schoß zu transportieren. Von den Einheimischen gibt es ein anerkennendes Nicken und von Touristen am Straßenrand ein „Wow“, nicht noch dass sie ein Foto machen

Dennoch wird es für uns nicht langweilig, denn wir tauchen ab in das, was man als Kurzzeitreisender meistens verpasst: das tatsächliche Leben hier. Das Ganze hinter den ganzen ersten Eindrücken. Ich kann nur sagen, es lohnt sich für uns es zu erkunden.

Abendessen mit Freunden.

Schon wieder Bali!?

Wir wurden und werden häufig gefragt, „Schon wieder Bali? Nochmal nach Canggu?“, „Wann geht es weiter?“ und „Was macht ihr als Nächstes?“ – die Antworten hierfür sind: JA und wir wissen es nicht! Es fühlt sich mehr als gut an, hier zu sein und mit jedem Tag in Canggu wird es schwieriger für uns, sich vorzustellen irgendwann einmal weiter zu müssen bzw. weiterreisen zu wollen. Man könnte auch sagen, nachdem wir 9 Monate so viele tolle Plätze auf dieser Welt bereist haben und sehen durften, versuchen wir jetzt mal eine andere Art des Reisens aus: das Bleiben und Eintauchen. Und weil es uns so gut gefällt, sind wir auch schon (viel) länger hier, als zunächst gedacht.

Längst kennen wir unsere Nachbarn in unserer kleinen Jalan (Straße), wo sich unsere tolle Villa mit Pool befindet. Man grüßt sich und hält auch gerne mal einen Plausch. Wir haben unsere Lieblingsplätze für Frühstück (Hungry Bird, Crate Cafe) und Abendessen und wissen, wo es den leckersten Kaffee (Satu Satu und Hungry Bird) gibt. Dank der CrossFit Community treffen wir auch immer wieder bekannte Gesichter auf der Straße oder beim Essen mit denen man sich, sofern man sich nicht eh verabredet hat, kurzerhand zusammensetzt und quatscht und schaut, was es Neues gibt. Es gibt immer etwas zu erzählen, da entweder neue Leute dabei sind oder jemand wieder einen Ausflug plant oder gerade gemacht hat, wo andere wiederum gerade erst gewesen sind bzw. auch hinwollen. Man tauscht sich eben aus.

Schwedisches Design

Mit dem mehr als sympathischen Schweden Jonte (47) geht das sogar noch einen Schritt weiter. Jonte designt Blumentöpfe und kommt seit 12 Jahren jedes Jahr für 4 (3+1) Monate nach Bali um seine neue Kollektion zu entwerfen und um sich um die Produktion zu kümmern, die ebenfalls hier beherbergt ist. Mit Jonte liegen wir genau auf einer Wellenlänge. So verbringen wir mit ihm viel Zeit bei gemeinsamen Essen und Trainingseinheiten im S2S CrossFit. Bei einem Abendessen  fragte er uns, ob wir nicht mal seine Produktionsstätte anschauen wollen. Bei so einem Angebot  lassen wir uns nicht zweimal bitten. So ging es mit dem Scooter nord-westlich ins Umland und wir stellten wieder einmal fest, dass es keine 3 Minuten dauert, bis man keinen Touristen mehr sieht. Die Fahrt dauerte knapp 45 min. und somit tauchten wir ein in dieses andere Bali. Dieses authentische Bali abseits jeden Trubels und jeden Touristenpfades.

Dort angekommen wurden Jonte und wir sehr herzlich in Empfang genommen und man merkt, dass Jonte in den letzten 12 Jahren mehr ein Teil der Familie geworden ist. Das balinesische Familienunternehmen arbeitet rund 80% des Jahres für Jonte und fertig Töpfe nach seinen Entwürfen. Als wir dort waren, arbeiteten sie gerade an dem Feinschliff für eine Designer-Kollektion. Nix Maschinen, alles Handarbeit, somit jedes ein Unikat.

Traditionen

Zum ersten Vollmond des Jahres stand ein weiteres erstes Mal für uns auf dem Programm. Jonte hatte uns zu sich und seiner Familie für die Hauszeremonie eingeladen. Während der Schrein jeden Tag mit Opfergaben wohl gestimmt werden will, ist die Zeremonie nur ein bis zweimal im Jahr. Zu dieser Zeremonie gehört es, dass alle Anwesenden einen Sarong tragen. So schmissen wir zwei uns erst mal in Schale. Nichte Carmen hatte noch Besuch von Freunden aus Schweden. Zusammen lauschten wir dem Priester, der das Haus von allen bösen Geistern losgesprochen hat. Buddha sei dank, hat er sich nicht von dem permanenten Klingeln des Handys seiner „Assistentin“ aus dem Konzept bringen lassen. Wobei man das Ergebnis dann ja erst in den kommenden Wochen und Monaten sieht. Wir werden das mal im Auge behalten

Ubud

Früher suchten wir uns immer einen Fahrer der uns von A nach B und wieder zurück brachte. Heute machen wir das alles mit dem Scooter und sehen dabei schon fast indonesisch bepackt aus. Fehlen nur noch die zwei Kinder auf dem Roller

Für unseren Besuch in Ubud hatte Sandra uns mit dem Ayu Homestay eine gut gelegene Unterkunft im Herzen von Ubud herausgesucht. Dadurch konnten wir ohne viel Gelaufe die traditionellen Kecak– und Legong-Dance Shows besuchen, die hier jeden Abend abwechselnd angeboten werden.

Beim Kecak handelt es sich um einen Feuertanz, mit dem mehr als melodischen cak-cak-cak Gesang der Darsteller, die sich z.T. damit in Trance singen. Der Legong Tanz dagegen wird von einem Gamelan Orchester begleitet, was für uns, wie für viele Leute die typischen balinesischen Klänge darstellt. Die Tänzer tragen sehr aufwendig hergestellte Kostüme und Kopfschmuck. Diese erzählen zusammen mit den Tanzbewegungen, der Mimik und Gestik, in erster Linie mit sehr trainingsbedürftigen Finger- und Augenbewegungen, eine Geschichte.

„dbbmncfhsn“

Vor einigen Wochen kontaktierten uns Bettina und Karl-Heinz mit ein paar Fragen zu unserem Blog. Durch unsere Verlängerung auf Bali stellte sich heraus, dass die Zwei zeitgleich mit uns da sein würden und somit war schnell klar, dass wir uns persönlich kennenlernen wollen. So verabredeten wir uns auf ein Abendessen in ihrem sehr chicen und für unseren Standard noblen Keraton Beach Resort in Jimbaran.

Bettina und Karl-Heinz sind seit Kurzem Rentner und haben sich dazu entschieden, nun die langen Reisen anzugehen, „so lange es noch geht„. Die beiden machten aber einen sehr fitten Eindruck. Daher zieht es die zwei sympathischen Mainzer auf ihrer „dbbmncfhsn-Tour“ (Dubai – Bangkok – Bali – Melbourne – Neuseeland – Cook-Inseln – Fidschi – Hawaii – San Francisco – New York) vor allem weit weit weg, wie nach Neuseeland, die Südsee und Hawaii. Zum ersten Mal in ihrem Leben reisen sie dabei für einen Zeitraum von 95 Tagen. Das Around-the-World Flugticket zu ihrem Glück haben sie im Reisebüro von STA gebucht, was wir damals ebenfalls in Erwägung gezogen hatten, es für uns aber am Ende kein passendes Angebot gab.

Bettina erzählte uns, dass sie bereits 1985 auf Bali und in Indonesien gewesen war und damals von Jakarta über Java nach Bali getingelt ist, ganz ohne TripAdvisor, WhatsApp, Facebook und Co. „Man war einfach mal weg„. Weite Teile von Bali waren zu dieser Zeit noch überhaupt nicht entwickelt und schon gar nicht ans Stromnetz angeschlossen. Heute für die meisten Touristen sicher unvorstellbar, wird oft schon gemeckert wenn das WiFi nicht schnell genug ist :-). So verging ein toller Abend mit vielen Reisegeschichten wieder einmal viel zu schnell. Auf der Rückfahrt malten wir uns schon mal aus, wie wir in 30 Jahren noch mal unsere Route bereisen und wie die Welt und Bali sich bis dahin verändert haben wird.

Visa-Run

Unsere Anzahl der Flüge in den letzten 10 Monaten ist mittlerweile auf 40 gestiegen. Mit daran Schuld ist allerdings auch der Visa-Run, den wir mittlerweile wie alle anderen Langzeit-Indonesien-Reisenden in Routine meistern. Mit leichtem Gepäck ging es mit dem Scooter zum Flughafen. Dort haben wir dann für 24 Std. unser zweirädriges Fortbewegungsmittel für sage und schreibe 10 Cent geparkt (ich wünschte am Frankfurter Flughafen wären die Preise so) und  stiegen in den Flieger nach Kuala Lumpur. Dort entschieden wir uns diesmal nicht wie im Sommer auf dem Boden, sondern im Sama Sama Transit Hotel zu schlafen, wo man praktischerweise die Zimmer stundenweise mieten kann – sofern noch etwas frei ist. Keine 24 Std. später holten wir unseren Scooter wieder ab und machten uns auf den Weg nach Hause.

Einreise Indonesien

In Indonesien hat man die Möglichkeit sich bei der ersten Einreise für ein kostenfreies Visa (30 Tage gültig) anzustellen oder für 30 USD ein sogenannte Visa-On-Arrival für 30 Tage zu bekommen, welches nach Ablauf einmalig für weitere 35 USD um 30 Tage verlängert werden kann. Da man die Verlängerung nicht direkt nach der Einreise machen kann, muss man spätestens 7 Tage vor Ablauf der 30 Tage zum Amt, um die Verlängerung zu beantragen. Liegen Feiertage dazwischen, dauert es länger. Überzieht man das Visum zahlt man pro Tag eine saftige Strafe von ca. 20 USD. Da man für meist für fast das gleiche Geld (also 30+35 USD) raus und wieder reinfliegen kann, machen viele den sogenannten Visa-Run.
Geübte buchen sich einen Morgenflug z.B. nach Kuala Lumpur oder Singapur, um
nachmittags wieder auf Bali zu sein, oder aber verbinden es mit ein paar Tage in Australien, z.B. Perth oder Melbourne.

Pancake Sunday

Sonntags stehen meist Ausflüge auf dem Programm. Jonte wollte uns zusammen mit den Dänen, Morten, Cecelie, Steffen und Krystoffer im Rahmen einer Tages-Roller-Tour seine Lieblingsplätze in Südbali zeigen. Die Tour startete mit 1,5 Std. Verspätung, da ein heftiger Regenschauer eingesetzt hatte, was der Stimmung keinen Abbruch tat. Zunächst ging es Richtung Nusa Dua an den Geger Beach um eine Runde zu schwimmen. Den anschließenden Besuch in einem  Tempel der prachtvoll auf den Klippen thront, mussten wir abbrechen, da die Straße von einem Bagger zwischenzeitlich abgerissen und noch nicht wieder aufgebaut wurde. Weiter ging es. Warum auch immer, auf der Halbinsel Uluwatu ist die Polizei besonders fleißig und hält in erster Linie nach Touristen wie uns Ausschau und nachdem wir letzten Sommer bei unserer Uluwatu-Tour schon einmal Bestechungsgeld bezahlen durften, waren wir darauf vorbereitet. Jonte und die anderen leider nicht. Somit freuten sich die Polizisten über einen Obolus, bevor wir weiterfahren durften. Jontes Laune verschlechterte sich immer weiter – so hatte er sich seine Tour sicher nicht ausgemalt.

Nächster Halt war ein Platz, wie er friedlicher nicht sein kann. Direkt nebeneinander stehen: ein Hindutempel, ein buddhistischer Tempel, eine Moschee, eine christliche- und eine orthodoxe Kirche. Hier beten alle friedlich nebeneinander verschiedene Götter an und man fragt sich: Warum kann das nicht überall auf der Welt so sein?

Nächster Halt, der Padang Padang Beach, für den wir sogar Eintritt (10.000 IDR) zahlen mussten, war eine einzige Katastrophe und Jonte war endgültig total geknickt. Als er vor ein paar Jahren das letzte Mal dort war, musste er weder Eintritt zahlen und vor allem war in der kleinen Bucht ein toller Strand, an dem ein paar Einheimische ihr Essen verkauften. Zwischenzeitlich hat man versucht den Strand auszubauen und schätzungsweise den Sand vom Strand dafür verwendet, was zusammen dazu geführt hat, dass nun gar kein Strand mehr da ist und man sich fragt, für was man überhaupt Eintritt bezahlt hat. Jonte sein Gemüt musste erst mal mit einem (oder auch zwei) Revolver-Kaffee aufgebaut werden, bevor es zur letzten Station (Fischessen und Sonnenuntergang in Jimbaran am Strand) gehen sollte. Wir schauten nicht schlecht, als alle lokal geführten Restaurants geschlossen waren und nur die Touristen-Massenabfertigung-Restaurants ein paar Meter weiter geöffnet waren. Armer Jonte, so viel Kaffee konnte er heute nicht mehr trinken Er erklärte uns nachdem wir zurück waren, dass man in Schweden dazu „Pancake“ sagt, wenn alles an einem Tag gegen einen läuft. Somit hatten wir einen perfekten Pancake Sonntag und einen trotz allem sehr lustigen Tagesausflug.

Die Pancake-Rocker-Gang.

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Einmal ans Ende und zurück – Flores (1)

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300 Tage Reisen – so lecker ist die Welt